Das FAUST-Festival Ismaning 2014 vom 22.2. – 28.2.2014 ist ein einmaliges Schüler-Theater-Projekt und bietet eine der seltenen Möglichkeiten, Goethes gesamten FAUST auf der Bühne erleben zu können.
Sechs 12. Klassen von sechs Waldorfschulen aus ganz Deutschland spielen jeweils einen der Parts des Monumentalwerks (FAUST I und die fünf Akte des FAUST II) und führen ihn in dem großen Festsaal der Rudolf-Steiner-Schule Ismaning an direkt aufeinander folgenden Tagen zwei Mal auf. Einmal abends für die Öffentlichkeit und einmal vormittags ebenfalls für die Öffentlichkeit, aber auch für Schulklassen.
Begleitend gibt es Einführungen in die einzelnen Akte von FAUST II sowie drei große Themenvorträge über Wissenschaft, Kunst und Ökonomie in Goethes FAUST.
Die Aufführung des ganzen FAUST im Rahmen eines Gesamtkonzepts von sechs verschiedenen Inszenierungen lässt der Kreativität der beteiligten Klassen künstlerischen und interpretatorischen Spielraum – eine außergewöhnlich innovative Art der Umsetzung.
Die 12. Klasse der Freien Waldorfschule Saar-Hunsrück spielt in dieser Gesamtaufführung den 3. Akt
Regie führt Catherine Ann Schmid
Aufführungen: Sporthalle der Freien Waldorfschule in Walhausen/Nohfelden
20. /21. Februar 2014
Auf dem Festival in Ismaning/München am 25. /26. Februar 2014
Die Geschichte
Aus unserem Programmheft
Helena. Klassisch-romantische Phantasmagorie. Zwischenspiel zu Faust (erstveröffentlicht 1827 im vierten Band der Ausgabe letzte Hand) „Phantasmagorie“ bedeutet „künstliche Darstellung von Traumgestalten“, ein Geschehen im Inneren, den Träumen und Phantasien eines Menschen. Der Mensch, der hier träumt, ist Faust, bewusstlos, nachdem er versucht hatte, seine selbsterzeugten Bilder von Helena und Paris zu berühren. Doch noch hatte er die künstlerischen Mittel nicht, um seiner Phantasie Gestalt zu verleihen. Um diese zu erlangen, geht sein Bewusstsein auf Reisen, in die griechische Mythologie, wo sich in der klassischen Walpurgisnacht, dem 2. Akt von Faust II, die Flamme des Geistes Galatea vermählt, einer Göttin des Meeres, des Ursprungs ewigen Werdens. Nun, nach der Vereinigung von Feuer und Wasser, von Geist und sich wandelnder Gestalt, kann Fausts Geist Helena, das Urbild weiblicher Schönheit, erschaffen; der zweite Akt endet in der hymnischen Ansage „So herrsche denn Eros, der alles begonnen“ (V8479).
Die erste Szene des 3. Aktes beginnt mit ihrem Erscheinen, vom Strand herkommend erreicht sie in Begleitung gefangener Troerinnen den Palast des Menelas, ihres Gatten, der sie mit Hilfe seiner Verbündeten im trojanischen Krieg zurückerobert und nun zu seinem Palast vorausschickt. Sie weiss nicht, was sie erwarten wird, und trifft im Palast Phorkyas an, ein altes Weib, die Haushälterin, ein Ausbund von schauerlicher Hässlichkeit – ein Gegenprinzip zur Schönheit Helenas. Der Zuschauer erinnert sich eventuell an den zweiten Akt, in dem auch Mephisto in der griechischen Mythologie nach Gestalt suchte und sie bei den Phorkyaden, den Töchtern des Chaos fand, deren Erscheinungsbild (einäugig mit einem Reisszahn ausgestattet) er annahm. Phorkyas/Mephisto eröffnet Helena, dass ihr Gatte sie opfern wolle – dass ihr also der Tod drohe – , weist ihr jedoch auch einen Ausweg: zu der Burg, die in ihrer Abwesenheit errichtet wurde und von einem Mächtigen regiert werde.
So endet die erste Szene in einer „Zeitreise“, auf die Phorkyas Helena und ihr Gefolge mitnimmt, und die Gesellschaft findet sich in der zweiten Szene in einem mittelalterlichen Burghof wieder.
Antike trifft auf Mittelalter – eine Anspielung (u.a.) auf die tatsächlichen geschichtlichen Abfolgen in Griechenland ebenso wie symbolisch auf die Geistes – und Kulturgeschichte, in der die Renaissance und mit ihr der moderne Mensch aus einer Synthese von Antike und Mittelalter hervorgeht.
Diese Vereinigung zeigt Goethe in der Begegnung und liebenden Vereinigung zwischen Helena und Faust, dem Burgherrn, gestaltet in einer „Liebesszene“, in der Faust Helena, die zu Beginn im Versmass griechischer Tragödien sprach, das Reimen lehrt.
Die dritte Szene nun zeigt uns eine arkadische Landschaft, ein ideales, harmonisches Bild von Natur und Kunst, wie es der Geist des modernen Menschen von der Antike entwirft. Hier leben Faust und Helena ihre Liebe und haben ein Kind miteinander, Euphorion. Dieser sich rasend schnell vom Kleinkind zum jungen Mann entwickelnde wunderschöne Knabe lässt sich kaum halten, will springen, sich in die Lüfte erheben, will immer höher hinaus, will alles erleben und alles erzwingen, sehnt sich nach Krieg und Ruhm und Heldentod. Faust und Helena erscheinen als besorgte Eltern, die den jugendlichen Übermut nicht bändigen können und schliesslich hilflos zusehen müssen, wie sich Euphorion, Ikarus gleich, zum Flug erhebt und abstürzt.
Fausts Geistesfrucht in der Vereinigung mit der klassischen Schönheit, Euphorion, der Dichtung symbolisiert, muss vergehen, wenn er die Innerlichkeit dieser Kunstwelt verlassen will. Helena folgt ihrem Sohn in den Hades, Faust bleibt nur noch, ihren Schleier ergreifen, der sich in die Wolken auflöst; doch so gelingt es ihm, die Ahnung der Antike in die Moderne zu tragen Das selbstgenügsame Verweilen ist ihm unmöglich, was er hat, muss er überwinden, damit er weiter schaffen kann. Helenas Gefolge, namenlos und nicht individualisiert wie sie, geht in einem grossen dionysischen Schlusschor in den Naturelementen auf. Der dritte Akt schliesst mit dem Auftritt Phorkyas`, die/der die Maske abnimmt und als Mephisto erkennbar wird.
Ursula Kirchdörfer